OXYDATION AUF TEXTIL

Textilien verschiedenster Art, mit und ohne Muster, alte und neue Stoffe, grobe Planen bis hin zur Kunstseide werden mit Rost gestaltet. Stellenweise mit Acryl, Lasur oder Wachskreiden partiell bearbeitet, teilweise nochmals einem oder mehreren Rostprozessen unterzogen.
Bei einigen Arbeiten bleiben durch Aussparungen Muster und Farbe der Textilien sichtbar.

Bei großformatigen Bildern bedarf es einer sehr genauen Vorplanung. Angefangen von Entwürfen auf Papier, bis zum maßstabsgerechten Zuschnitt der Metallplatten. Die Schnittkanten der Platten sind ein wichtiges Gestaltungselement und setzen somit genaues Vorgehen voraus.
Bei kleineren Arbeiten bin ich dagegen oftmals sehr spontan und experimentell, lasse mich von der Textilie und vorhandenen Metallzuschnitten inspirieren.

DIE BILDWELTEN VON INGRID SPERRLE

» … ›Dinge sind Vorkommnisse, Zustände sind Prozesse, Vorgänge sind Übergänge‹, was Bertold Brecht seinem chinesischen Weisheitslehrer Meti in den Mund legt, realisiert sich in den Bildwelten Ingrid Sperrles. Denn ihre Bilder sind einer Dynamik verpflichtet, für die Prozesse und Übergänge wesentlich sind. Streng im Detail der Bildschöpfung, verfährt Ingrid Sperrle im Prozess ihrer Arbeit doch spielerisch und experimentell. Und obwohl überall Transformation und Metamorphose spürbar werden, gibt es nirgends Verschwommenheit. Unterscheidung und Verbindung gehören im Konzept der Künstlerin zusammen.

Kunst ist Bewegung, ein Übergang vom wahrnehmenden Betrachter zum wahrgenommenen Objekt und umgekehrt. Ingrid Sperrle macht immer wieder darauf aufmerksam, dass ihre Bildwelten die Weltbilder der Betrachter in Bewegung versetzen, die Wahrnehmungsgewohnheiten aufschließen für ein Material, das eher negative Assoziationen hervorruft, für eine Schönheit jenseits einer idealisierten Ästhetik. Der Rost als Metapher, als widerständiges Anti-Programm zum schönen Schein sterilen Glanzes.

In der plastisch erscheinenden Oberflächenstruktur zeigt sich etwas archaisches, elementares, vor allem das Element des Feuers scheint in seinen Bewegungen eingefangen zu sein – gleichermaßen faszinierend wie erschreckend rätselhaft.

Nietzsche sagte, es gebe keine wahrhaft schöne Fläche ohne schreckliche Tiefe.
Die beinahe räumliche Präsenz der Formen wird noch dadurch gesteigert, indem die Künstlerin eigene farbige Elemente einbaut. Gleichzeitig erreicht sie dadurch Untiefen jenseits des Raumes, der immer gefährdet scheint, geheimnisvoll und letztlich fremdartig wie der Prozess des Werdens selbst.

In Ingrid Sperrles Bildern vollzieht sich die Konfrontation der beherrschbaren Ordnung des Kalküls mit dem rhizomartigen Geflecht unbeherrschbarer Kräfte.«

Dr. Theodor Pindl
Auszug aus der Rede zur Ausstellungseröffnung, 2003